142 oder 144 – was ist „richtig“?

Name: Peter Schultis

Hallo Herr Haas,
ich habe auch schon einige Akkordeon-Bücher von Ihnen gekauft und auch das Bandoneon Buch. Jetzt habe ich eine Bandoneon Instrumententechnische Frage.
Ich habe ein zweichöriges Bandoneon 144 Einheits-B. – Oktav. – kein Schwebeton.
Da ich auch in der Tango – Tanz – Szene bin und da einige Leute anfangen Bandoneon zu lernen, da fällt mir auf, dass alle das rheinische Griffsystem 142 Oktav verwenden und nur dieses für wirklich tauglich befinden. Das 144 tönige wird eher als „ein schlechtes Akkordeon“ klangtechnisch eingestuft.
Was ich davon halten soll, weiß ich ehrlich gesagt nicht so recht.
Jetzt die Frage:
Hat das Einheitsbandoneon 144 II/II mit dem dt. Griffsystem gegenüber dem rheinischen Griffsystem spieltechnisch/ausdruckstechnisch  und klangtechnisch Nachteile, so dass es besser ist gar nicht erst mit einem Einheitsbandoneon anzufangen, sondern gleich mit einem rheinischen 142 tönigen ??
Bzw. ist das Einheitsbandoneon halt für Volksmusik geeignet und das andere halt für eine breitere Spielmöglichkeit.
Mein Bandoneon ist dasjenige auf dem Foto unten.
Danke für Ihre Antwort.
Herzlichen Gruß aus Freiburg
Peter Schultis, Freiburg

2 Kommentare

  1. Hallo Peter,
    Das Tangofreunde misstrauisch sind gegen das 144-er System, hat durchaus bestimmte Gründe. Nach dem, was ich inzwischen erfahren habe, steckt aber wenig Grundlage dahinter.

    Erster Grund für die Ablehnung: dass in Argentinien das 142er-System verwendet wird, da kommt man sich originaler vor und argwöhnt vielleicht auch, dass manche Sachen aus der Tango-Literatur sich dann leichter greifen lassen. Soweit ich weiß, ist das aber nicht der Fall.

    Zweiter Grund für die Ablehnung: in Deutschland wurden Mitte des letzten Jahrhunderts viele Instrumente mit dem 144er-Griff System gebaut, die in Tremolostimmung klingen oder sogar – schlimmer noch – dreichörig mit Registerschaltern sind. Letztere Instrumente sind auch von den Stimmplatten und Stimmstöcken her teilweise eher verkleidete Akkordeons als echte Bandoneons. Das Wissen, dass viele 144 Instrumente so geartet sind, führt sicher zu einem generellen Misstrauen gegen dieses System.

    Das 142tönige System, das in Argentinien verwendet wird, geht direkt auf den Krefelder Musikhändler Heinrich Band zurück, der um 1850 diese Knopfbelegung für die damalige sächsische Konzertina entwickelte. Die Knopfbelegung hat einige seltsame Lücken und Doppelbelegungen – niemand weiß, was dem Herrn Band dabei vorschwebte. Die Entwicklung des 144tönigen Systems (um 1925 in Deutschland) war ein seriöser Versuch, diese Mängel zu beheben. Ohnehin ist der Kernbereich der beiden Systeme identisch, nur die Randzonen unterscheiden sich. Der Bandoneonbauer Klaus Gutjahr hat mir im Gespräch versichert, dass beide Systeme, was den Klang betrifft, völlig ebenbürtig sind. (Vorausgesetzt natürlich, dass sie in ehrlicher, tango-tauglicher Oktav-Stimmung belegt sind.)

    Anders – so sagte mir Klaus Gutjahr – kann es sich mit den gleichtönigen Systemen (Péguri, Kusserow) verhalten. Hier ist die Belegung der Stimmen auf den Stimmplatten völlig unterschiedlich, das kann dazu führen, dass der Klangcharakter erheblich abweicht.
    Wenn das Instrument, dessen Bild du mir geschickt hast, in Oktav-Stimmung ist, (und auch die Stimmplatten in Bandoneonbauweise ausgeführt sind) sollte es also vom Spielerischen her gut taugen. Für das Instrument spricht sicher, dass es aus gutem Hause stammt – es trägt ja das Doppelte A von Meister Alfred Arnold. Höchstens das Aussehen könnte manche Tangofreunde stören, da es ja nach dem Varieté-Geschmack der Dreißigerjahre verziert ist, während man sonst so gerne das klassische Schwarz oder Holztöne bevorzugt.
    Vielleicht interessiert es dich, das im aktuellen Heft des akkordeon_magazin das Thema Bandoneon Titel Thema ist. Die Rubrik Augenweide zeigt zahlreiche schöne Instrumente, mein Kollege Thilo Pläsier hat viele gute Ratschläge zusammengetragen unter dem Titel „Bandoneonfieber – und jetzt?“, und in einem mehrseitigen Interview habe ich mich mit dem Bandoneonbauer und -Virtuosen Klaus Gutjahr unterhalten, wo es unter anderem auch um die verschiedenen Griffsysteme und deren Variationen geht.
    http://www.akkordeon-magazin.de/
    http://bandoneon.petermhaas.de/galerie/
    Freundliche Grüße, erst einmal,
    Peter Michael Haas ?

    1. Hallo Peter,
      noch ein Zusatz zu meiner Mail von gestern abend.
      Ich denke die Verwirrung, dass nur ein 142 rheinisch Oktag II / II ein Tangoinstrument ist gegenüber dem 144 II / II Oktav wird auch z.B. durch Angaben auf den WEb-Seiten der Bandoneonbauer gestützt.
      Auch R. Wallschläger ( zu dem ich mein Bandoneon zur Reparatur und Stimmen mal geschickt habe ) hat auf seiner Web-Seite die Unterscheidung. 142 rheinisch = Tangobandoneon. http://www.hzi-carlsfeld.de/7.html
      Dies macht den Eindruck, dass Tango auf 144 Einheitsband. II II Oktav nicht geht oder eben nicht so gut wie auf einem 142 rheinisch.
      Zudem ist es auch so, dass das 142 aufgewertet wird, weil es auch im Raum Freiburg nur ca. 2 -3 Lehrer gibt die nur auf dem 142 unterrichten. Dies erweckt halt bei einem Laien wie mir den Eindruck, dass das 144 minderwertiger ist.
      Aber klar ist, es hängt alles von den eigenen Vorlieben ab. Nur beim Bandoneon ist es halt schwerer herauszufinden welches Instrument geeignet ist, weil die Anschaffung kostspielig ist.
      Karl Oriwohl. der wohl auf Kusserow gespielt hat finde ich auch klasse vom Typ her. Er hatte sichtlich Spass daran und darauf kommt es letztlich an.
      https://www.youtube.com/watch?v=cwcFHR62yJc

      Dies klingt auch super.
      https://www.youtube.com/watch?v=TrHXFHP_QVk

      Oriwohl hätte ich gerne mal kennengelernt. Leider spielt er jetzt schon mit den Bandoneon Engeln im 7 Himmel.
      Schade finde ich auch, dass noch niemand die Biografie von Alfred Arnold zusammengetragen hat. Ich habe nur mal ein paar Bilder von Ihm und seiner Fabrik im Netz gefunden, weiß aber nicht ob die Bilder authentisch sind.
      Gruß
      Peter , Freiburg

Schreibe einen Kommentar zu Peter M. Haas Antworten abbrechen