„Das phänomenale Bandoneon“
Hallo Bandoneonfreunde, diese Neuerscheinung könnte euch interessieren: Klaus Gutjahr hat nach langer Vorbereitung jetzt seine neue Doppel-CD veröffentlicht.
Muss ich hier extra schreiben, wer Klaus Gutjahr ist? Bei unserem Interview vor zwei Jahren wollte ich ihn als den „Altmeister der deutschen Bandoneon-Szene“ vorstellen. Seine Antwort war: „Das ‚Alt’ kannst du ruhig weglassen. Ich glaube, ich war immer der Benjamin der Bandoneonszene, der nach Neuem gesucht hat.“
Schon bei diesem Interview (akkordeon_magazin #54) sprach Klaus von seinem großen Projekt einer Doppel-CD mit Studioaufnahmen seiner Bandoneon-Solo-Versionen. Inzwischen ist diese CD fertig, sie heißt „das phänomenale Bandoneon“; jetzt liegt sie in meinem CD-Player und erfüllt die Stube mit Bandoneonklängen.
Schön ist sie geworden. Das Prunk- und Titelstück ist sicher „La Cathédral – dritter Satz“, ein Stück mit einer ganz eigenen Geschichte, denn diese Komposition von A. B. Mangoré ist original ein Stück für akustische Sologitarre. Klaus Gutjahr hat es transkribiert in eine Fassung für Bandoneon, wohl auch einige Stimmen ergänzt. Beim ersten Vergleich der Bandoneon-Fassung mit dem Original war ich etwas irritiert: Natürlich verliert die Komposition in der Neubearbeitung die sonnig-spanische Leichtigkeit der Gitarrenversion. Im Gegenzug bekommt man aber eine faszinierende Klarheit der Stimmen zu hören, die sich mit- und gegeneinander bewegen; so lerne ich als Hörer das Stück auf neue Art kennen und schätzen: ein kleines Juwel.
Die erste CD-Seite wird von diesem „Cathédral“ eröffnet; es folgen zahlreiche Stücke aus der Barockmusik, angeführt gleich von J.S.Bach’s berühmten Air aus der D-Dur-Suite. Auch „Le coucou“ darf nicht fehlen, jenes spätbarocke Vortragsstück mit eingebauten Kuckucksrufen. Barocke Literatur wird ja immer wieder einmal auch auf (Einzelton-) Akkordeon interpretiert. Im Vergleich dazu imponiert der kristallklare Klang der Bandoneon-Stimmen; Klaus Gutjahr ist wohl der einzige in Europa, der solche Literatur auf dem Bandoneon spielt.
Immer wieder dazwischen sind natürlich Schätze aus dem Tango-Repertoire platziert, von der obligaten „Cumparsita“ bis zum berühmten Walzer „Palomita Blanca“. Im Endspurt der zweiten CD hat Klaus Gutjahr dann noch einige eigene, lustige Werke untergebracht: Ein Berlin-Zyklus findet sich da, mit Stücken namens Berliner Walzer, Berliner Marsch, Berliner Milonga und Berliner Polka. Ein überraschendes Highlight für mich: Im letzten Abschnitt der Berliner Polka, die vorher so la-la dahingezogen war, hat Gutjahr einen virtuosen Chorus-Spaziergang eingebaut. Nun ist virtuose Musik gar nicht so mein Ding. Die vielen Noten klatschen einem oft nur die Ohren zu. Aber hier ist das sechzehntelschnelle Tongewitter so lustig, so humorvoll gesetzt – ob Klaus frisch verliebt war, als er es schrieb? Ein musikalischer Sprint mit Aufschwung, Kobolz und Spagat, pure Freude an der Bewegung jenseits aller literarischen oder kulturellen Schwere – das ließ mich kurz vor Schluss der CD noch einmal extra aufhorchen und machte mir Freude.
Kompliment also für diese Doppel-CD, und freundliche Empfehlung an alle Bandoneon-Freunde: kaufen! Am Besten direkt beim Urheber: bandoneon@klausgutjahr.de
Preis: 25,- plus Versand
Und hier das Titelstück „La Cathédral“ auf YouTube: